„Bürgerjournalismus 2.0“ zwischen demokratischem Anspruch und Dilettantismus? Das Beispiel www.njuuz.de

Thema der Politischen Runde vom 7.11.2011. Zu Gast einer der Herausgeber der Wuppertaler Online-Plattform „von Bürgern für Bürger“: Georg Sander.  Bürgerjournalismus –  ein polarisierendes Thema. Die einen sehen im Bürgerreporter den „Messias“ – für einen neuen kritischen, einen demokratischeren Journalismus. Losgelöst von den ökonomischen Interessen und redaktionellen Zwängen der Massenmedien. Kritiker bemängeln hingegen die mangelnde Professionalität „der schreibenden Frisöse von nebenan“ und fürchten den „Bürger-Paparazzi“ der BILD („Presseausweis für alle!“) Was ist dran an der Debatte? Wo liegen Möglichkeiten und Grenzen von Bürgerjournalismus, z.B. in Wuppertal? Sander stellte Idee und Wirklichkeit von njuuz.de vor. Auf der Wuppertaler Plattform publizieren insbesondere Parteien, Verbände, Vereine, Vertreter von Institutionen, Kulturschaffende, aber weniger die Bürger selber. Die Zahl der Autor/innen steigt ebenso kontinuierlich wie die Frequenz der Seitenaufrufe. Das Verhältnis zu den etablierten Medien beschreibt Sander als „ausbaufähig“.Die anschließende vertiefende Fragerunde bemühte sich zum einen um die Präzisierung und Differenzierung des „schildernden“ Begriffes (Citizen Journalism, Partizipatorischer Journalismus, Netzwerkjournalismus, Open Source) und drehte sich vor allem um die Qualitätsfrage: gibt es einen Bürgerjournalismus mit Gütesiegel? Wie steht es um die journalistischen Grundregeln (Gründlichkeit, Genauigkeit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit, Transparenz.)?

Die Quintessenz des Abends in der Runde: Bürgerjournalismus 2.0? Man mag ihn bewerten, wie man will. Einerlei. Die bloße Existenz des Internet ist die treibende Kraft für einen grundlegenden „neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (Ulrich Beck). Gemeint ist der Wandel vom passiven Konsum zum aktiven Produzieren von Informationen. Inhalte können bewertet, kommentiert, geteilt, eigene Positionen ins Netz gestellt werden. Solch „User-Generated-Content“ und die Dynamik der Mittel werden nicht mehr verschwinden. Das ist Fakt. Die Risiken liegen dabei auf der Hand. Journalistische Standards können auf der Strecke bleiben. Datenmüllberge können wachsen. Gleichzeitig bietet sich die Chance, dass als Produkt ein demokratisches Diskussionsmedium entsteht, von dem alle Seiten profitieren, wenn sie denn zusammenarbeiten: Bürger und professioneller Journalismus. Und der Leser kann selber entscheiden, welchen Informationen er vertrauen will, oder ob er diese Entscheidung anderen überlassen möchte, die darin bestens ausgebildet sind: den professionellen Journalisten. Es geht nicht um die Abschaffung des traditionellen Journalismus sondern um dessen Ergänzung.  Und wenn es einer Stadt wie zum Beispiel Wuppertal und deren schwierigem Weg zu einem positiveren Image dienen mag – umso besser. 


Detlef Vonde