Es war nicht selbstverständlich, dass er kommen würde: Prof. Armin Reller, Ressourcenstratege von der Universität Augsburg kam trotz der Nachricht einer ernsten Erkrankung in die Politische Runde. Und er hatte Beunruhigendes zu berichten. Über unseren Lebensstil und den dazu passenden Verbrauch an Ressourcen. Seine Botschaft: Unsere Rohstoffe reichen nicht für die Realisierung aktueller menschlicher Bedarfe und Konsumbedürfnisse. Soweit, so wenig neu. Aber eindringlich geschildert die Beispiele: Thema „Biosprit“ Die derzeit verfügbare Fläche reicht nicht aus, um den aktuellen Verkehr mit Biosprit zu versorgen, selbst wenn man das dahinter stehende ethische Probleme des Welthungers vernachlässigen würde. Aus Soja erzeugter Biosprit bringt in der Bilanz einen besonders hohen CO2-Ausstoß. Überhaupt die Energiebilanz der Landwirtschaft: seit 1910 betrachtet ist die aufgewendete Energie inzwischen etwa doppelt so hoch wie der Ertrag. Thema „Wasser“ Der Wasserverbrauch für die Produktion von 1l Milch liegt bei 3-4l, für 1kg Stahl sind bereits 15 – 100 l Wasser erforderlich, für 1 PKW 50.000-200.000l. Wasser wird dabei zur konfliktträchtigen Handelsware (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Israel). Entsalzungsanlagen produzieren noch vergleichsweise teures Wasser. Aber es besteht Hoffnung auf effizientere Technologien. Thema „Reisewege der Lebensmittel“ Für Spargel aus Chile fallen etwa 16.894 g CO2 an, für den aus Schrobenhausen (LKW) 60 g CO2. Ähnliches gilt für Äpfel aus Neuseeland. Thema „Handy“ Darin verbergen sich wertvolle Rohstoffe (50 Edelmetalle in Mikromengen) vom gesamten Erdball, z.T. unter den Bedingungen postkolonialer Ausbeutungsstrukturen gewonnen. Und dieser „Schatz“ wandert nach Gebrauch zumeist auf den Müll. Eine folgenschwere Verschwendung.
Solche Geschichten, wie sie Reller erzählt, werden nicht kommuniziert. Das ist typisch für eine Konsumwelt, die dem momentanen Nutzen und nicht der Stoffgeschichte nachgeht. Umdenken ist Pflicht.Transparenz muss die erste Forderung sein: was steckt in den Produkten? „Verzicht“ und „Mündigkeit“ als Begriffe der Konsumkritik müssen zum selbstverständlichen Thema einer neuen Generation werden. Wie aber sollen derartige Appelle fruchten angesichts einer kapitalistisch entfesselten, weltweiten Konkurrenzwirtschaft? So der Einwand in der Publikumsrunde. Dies sei nicht das Thema des Abends, aber DAS eigentliche Thema für die Zukunft. Für den Anfang: „Neugier“ statt „Habgier“ – so Armin Rellers Botschaft. Ein beeindruckender Auftritt in der Politischen Runde – und (siehe oben) keineswegs selbstverständlich.
Armin Reller, Heike Holdinghausen: Wir konsumieren uns zu Tode. Warum wir unseren Lebensstil ändern müssen, wenn wir überleben wollen. Frankfurt/Main 2011.