Andreas Zumach, Genfer UN-Berichterstatter, Journalist und „Stammgast“ in der Politischen Runde spricht ein klares und offenes Wort, das ist bekannt. Jetzt ging es um die Lage im Vorfeld der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November. Wer hat die besseren Karten im „Kampf um das Weiße Haus“, Obama oder Romney? Zunächst die Bilanz von Obama. Ist er –gemessen an den Erwartungen- gescheitert, will Michaela Heiser wissen. Gemessen an seinen Vorwahl-Versprechungen, ja. Zumachs Antwort ist unmissverständlich. Seine Nahostpolitik – „halbherzig“. Aber Außenpolitik werde die Wahl nicht entscheiden. Guantanamo – „die ungeschlossene Baustelle“. Obama habe zu wenig Engagement gezeigt angesichts seiner höchst präzisen Versprechen (Schließung des Lager binnen eines Jahres, ordentliche Prozesse vor ordentlichen Gerichten). Erschwerend sei das Problem der (Nicht-)Aufnahme von Häftlingen durch Drittländer hinzugekommen. Insbesondere die Merkel-Regierung habe Obama in dieser Frage im Stich gelassen. Deren Aufnahmeverweigerung sei politisch motiviert gewesen; das Argument „Sicherheitsrisiko“ dürfe rechtstaatlich aber nicht relevant seien, weil die Unschuldsvermutung immer und für alle zu gelten habe. Auch in Sachen Rassismusbekämpfung habe Obama wenig bewirkt, außer vielleicht ein „empowerment“ der schwarzen Bevölkerung durch die bloße Tatsache, dass ein Schwarzer überhaupt Präsident wurde. Harry Belafonte hätte es so formuliert: „Der Dämon des 21. Jahrhunderts, der Rassismus, wurde nicht vertrieben.“ Für die armen Afroamerikaner habe der schwarze Präsident nichts getan, auch weil er keine eigene Sozialisationserfahrung in einem armen Chicagoer Stadtviertel gemacht habe, sondern recht schnell in die politische Elite des Landes aufgestiegen sei. Entscheidend sei aber insbesondere die ökonomische Schieflage der USA, die Zumach seit Anfang der 90er Jahre wirtschaftlich auf dem „absteigenden Ast“ sieht. Die Beispiele für mangelnde ökonomische und ökologische Modernisierungsbeitschaft seien zahllos. Inzwischen habe der langsame aber stetige Abstieg die USA ins Hintertreffen im globalen kapitalistischen Konkurrenzsystem gebracht. Führend sei man nur noch im Bereich von Militärtechnologie und militärischer Forschung, in vielen anderen Bereiche aber „auf Dritte-Welt-Niveau abgesunken“ (Galbraith). Diese Bilanz war das republikanische Erbe an Obama, und der habe nur relativ geringe Erfolge in Sachen Wirtschafts- und Sozialpolitik vorzuweisen und eine eher halbherzige Bankenpolitik betrieben. Was sind die Gründe für diese dürftige und enttäuschende Bilanz? Zunächst die komplexe Verhinderungsstruktur der republikanischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus, wo man vor allem und hartnäckig das Ziel verfolge, „den schwarzen Mann aus dem Weißen Haus zu jagen.“ Es sei die Fundamentalopposition aus weißen Eliten und deren „Hass gegen den Schwarzen, der es geschafft habe“, gegen den „Illegalen, der Präsident werden konnte“, welcher die eigentliche Ebene der Auseinandersetzung beschreibe. Dieser sei zugleich Ausdruck des latenten und anhaltenden US-amerikanischen Rassismus und mithin der Urgrund für den radikalen Widerstand gegen die Administration Obama und deren Politik. Zudem sei ihm sein Erfolg, 2008 die Jung- und Erstwähler rassenübergreifend gewonnen zu haben, von den republikanischen Männern (sie dominieren das konservative Lager) zutiefst übel genommen worden. Sein Herausforderer, Mitt Romney, der millionenschwere Ex-Gouverneur aus Massachusetts und Unternehmensberater, habe als Spekulant (Hedge Fonds) „sein enormes Vermögen zusammengerafft“, zahle dafür lediglich den Niedrigsteuersatz von 15% und parke sein Vermögen zum Teil in Steueroasen. „Das ist nicht fair.“ Ein wenig habe dieser Ruf Obamas den Slogan „Yes, we can“ verdrängt. Die Perspektiven bei einem Wahlerfolg von Romney? „Steuern runter, Sozialausgaben runter.“ So Zumach. Außenpolitisch möglicherweise ein neuer US-Isolationismus angesichts der „zwei verlorenen Kriege im Irak und in Afghanistan“. Welche Chancen also hat der republikanische Mormone, der im Vergleich zu den übrigen Kandidaten so gar noch als „relativ intellektuell“ gelten könne? Schwer zu beantworten. Die Chancen des Republikaners stiegen aber vermutlich dann, wenn der Druck auf Obama durch das Horrorszenario eines drohenden Iran-Kriegs wachsen würde. Unter diesem Druck könnte das Kalkül, „Obama als außenpolitisches Weichei zu denunzieren“, aufgehen. Fazit? Die „Obamania“ sei das Ergebnis der „acht dunklen Jahre der Bush-Administration“ gewesen. Er hätte nachhaltig enttäuscht, aber trotz alledem sei seine Wiederwahl –auch mit Blick auf die Eskalationslage in Nahost- die deutlich bessere Option. Obama – das kleinere Übel.