Bürgerbeteiligung in Zeiten „hoher Erwartungen“

„Die echten kommenden Bürgerbeteiligungsverstaltungen sind künftig umsonst – besser gesagt gratis.“ Mit dieser launig zweideutigen Sentenz von Stefan Seitz zum Thema „Entgelte in der politischen Bildung“ war der Abend mit dem neuen Wuppertaler Dezernenten (u.a.) für Bürgerbeteiligung, Panagiotis Paschalis, eröffnet.

Dass ein solches Dezernat im Lande einmalig ist, sei nur am Rande erwähnt. Wem gehört die Stadt denn nun wirklich? So die Leitfrage eines Themenabends, der erneut „den Laden voll“ machte. Gehört sie den Bürger/innen, der Politik, der „GroKo“ oder der Bank? Nehmen wir es direkt vorweg: Sie blieb unbeantwortet. Was nicht heißt, dass der Abend über künftige Möglichkeiten und Grenzen der Bürgerbeteiligung in Wuppertal ergebnislos verlief. Im Gegenteil. 

Panagiotis Paschalis, griechisch stämmig und „ruhrgebietssozialisiert“ aus Duisburg (was alles andere als schlecht ist), hat in Münster Jura studiert und zuletzt als Rechtsanwalt in Köln gearbeitet. Nach vier Jahren hier empfindet er sich noch als „Neuwuppertaler“ (was auch nicht schlecht sein muss).
Bürgerbeteiligung sieht er als „politischen Reiz“, sein Amt als eines, das Weichenstellungen ermögliche. Im Tal erkennt er eine hohe Bereitschaft zum Engagement mit zahlreichen ambitionierten und erfolgreichen Projekten. Das Dezernat? Ein weiteres „Alleinstellungsmerkmal“ (Seitz) für die Stadt. Paschalis registriert große Erwartungen, auch Ungeduld. Was haben Sie in den letzten Monaten denn gemacht? Will Seitz wissen.  –  Neues Dezernat strukturiert. Beteiligungsmanagement in der Tiefe kennengelernt. Fachstellen ausgeschrieben. 200 Bewerbungen. Zeitintensives Auswahlverfahren usw. „Keine Däumchen gedreht“, Substanz und Grundlagen geschaffen.
Das kommende Projekt heißt nunmehr „Leitlinien“ erstellen. Grundlagen, Rahmenbedingungen der künftigen Bürgerbeteiligung entwickeln und vom Rat der Stadt „absegnen“ lassen. Die Leitlinienentwicklung sieht Paschalis als Prozess, erarbeitet von einer „verfassungsgebenden AG“ aus 10 Bürger/innen, 7 Politiker/innen und 7 Verwaltungsleuten. Diese entwickeln und formulieren ab Mai Regeln, wie BB künftig laufen soll, die dann vom Rat zu verabschieden wären.
Das Ganze soll passend sein für alle möglichen künftigen gesamtstädtischen, aber auch speziellen Themen. Anstöße dazu sollen möglichst aus der Bürgerschaft kommen. Allerdings –so auch der Einwand in der anschließenden Publikumsrunde- sei eine repräsentative Auswahl der Akteure wohl eher schwierig. Letztlich zähle –so Paschalis- der Gewinn von solchen Bürgern, die für die Sache „brennen“. Bis zu 10 Sitzungen kämen auf die Steuerungsgruppe zu. Das Pensum sei also nicht unerheblich.

Darüber hinaus, man weiß es bereits aus den Medien, sei eine erste Wuppertaler „Planungszelle“ zum Thema „Seilbahn“ als Pilotprojekt geplant. Das sei ein „ideales, weil visionäres Projekt“, wo bisher noch nichts passiert ist. Idealtypisch frühzeitig und ergebnisoffen angelegt. Die städtische Gesellschaft gibt ein Votum ohne Eigeninteressen. Das Format „Planungszelle“ soll dabei Repräsentativität sicherstellen. 25 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Personen werden 4 Tage lang  Alltags- & Expertenwissen zusammenführen. Das Ganze mündet in ein Bürgergutachten. Analyse, Wertung etc. werden dann dem Rat vorgelegt. Ein idealtypisches Projekt, von dem man sich viel verspricht. Endlich, möchte man hinzufügen. Schließlich wurde die „Planungszelle“ in Wuppertal von einigen Jahrzehnten „erfunden“, aber stets anderenorts angewandt.

In der Publikumsrunde dominierten die offenen Fragen. Gibt es Regeln für die Beschäftigung mit Bürgergutachten im Rat? Er muss sich beschäftigen, wie genau, das ist aber (natürlich) noch nicht klar. Bürgerbeteiligung kam bisher oft zu spät. Workshop-Ergebnisse verkümmerten auf den Schreibtischen von Bürokratie und Politik. Neues Denken erzeugen? Die Möglichkeiten zur definitiven Einflussnahme auf Politikergebnisse der „repräsentativen Demokratie“ seien grundsätzlich begrenzt, so der vielfach variierte Einwand im Publikum. Eine neue „Beteiligungskultur“ müsse her. Und wie dick sind die dabei zu bohrenden Bretter? Paschalis will Strukturen schaffen. Ängste in Politik und Verwaltung müssten überwunden werden. Selbstverständlichkeiten sollen entstehen. Bürgerbeteiligung müsse zur Regel werden, verstetigt werden. Ab einem bestimmten Punkt der Veranstaltung regierte also der Konjunktiv.
Immerhin –und damit war das Publikum dann einig-  stehe reichlich Überzeugungsarbeit an. Gelingende Bürgerbeteiligung sei ein „langer Weg, Geduld erforderlich“. Andererseits. Im Stadion würde man inzwischen rufen: “Jetzt geht´s looos!“