Andreas Zumach in der Politischen Runde über den Iran, den Westen und die aktuelle Lage in Syrien
Was bedeutet es für die Lage in Syrien, dass der Iran nach dem Atomabkommen „wieder im Spiel ist“?
Andreas Zumach, Journalist und Korrespondent am Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf, holt weit aus. Zunächst sein Blick auf ein Worst-Case-Szenario. Die Saudis -so Zumach – werden zunehmend panisch wegen der vermuteten amerikanischen Neuorientierung in der regionalen Bündnispolitik und wegen der Einbrüche in Sachen Ölwirtschaft. Die Saudis haben hier allerdings ein klassisches „Eigentor geschossen“, jahrzehntelang übliche OPEC – Preisabsprachen konsequent unterlaufen, um die US-Fracking-Bemühungen kontrolliert zu unterlaufen. Aber der Ölpreis sackte weiter ab. Jetzt fehlt dem monarchisch diktatorischen Regime innenpolitisch das Geld aus dem Ölgeschäft (Sozialpolitik). Ein Krieg gegen den schiitischen Regionalkonkurrenten Iran erscheint als Option in den nächsten 2 Jahren denkbar. Worst-Case-Szenario also: Ein 4. Golfkrieg.
Für den Syrien-Konflikt schiebt Zumach gleich ein weiteres bedrohliches Szenario hinterher: Vielleicht kommen dort mit der Türkei neue Kriegsakteure hinzu. Zu den militärischen Eskalationsszenarien zählt auch ein erneuter denkbarer Zusammenstoß der Türkei mit Russland, mit allen möglichen Konsequenzen für einen NATO-Einsatz.
Zumachs zentrale These: Wenn die äußeren Akteure im Syrien-Krieg (USA, Russland, Iran, Saudis, Türkei, Katar) ihre Unterstützung für die Kriegsparteien konsequent einstellen würden, wäre der Konflikt in 2 Wochen beendet, ausgetrocknet. Er sieht keine Alternative, als die „heiße Kriegsführung“ sofort zu beenden, um die massenhaft notleidende Bevölkerung endlich versorgen zu können: Möglich, wenn keiner mehr kämpfen kann. Übergangsregierung bilden. Verfassung erarbeiten. Freie Wahlen durchführen. Überhaupt, der Syrien-Krieg sei kein „Religionskrieg“. Die Religion werde instrumentalisiert; denn die Menschen leben seit Jahrzehnten in prekären Verhältnissen unter diktatorischen Regimen in einer destabilisierten Region. Religion mithin ein radikalisiertes Instrument für Veränderung.
Zumach ist „vorsichtig optimistisch“, dass die Waffenruhe hält. Die Gespräche in Genf bringen Ergebnisse. Vor allem aber, und damit ist er bei der Ausgangsfrage: Teheran hat kein Interesse an dem Konflikt, weder politisch noch ökonomisch. Das Kalkül: Ein möglicher Kurdenstaat als Option nach dem Staatszerfall Syriens – davon betroffen wäre neben der Türkei auch der Nordwesten Irans. Verhandlungen über die Zukunft Syriens aber seien ohne die Beteiligung der Kurden als größte ethnische Minderheit völlig unmöglich.
Als denkbares Szenario sieht Zumach einen „Deal“ zwischen den Supermächten USA / Russland. Putins Interesse – ein geordneter Machtübergang in Damaskus und dabei zentrale Eigeninteressen wahren: Tartus, als Seezugang ins Mittelmeer, amerikanische Vorherrschaft verhindern. Putin stehe nicht bedingungslos hinter Assad. Dieser im Westen bewusst geschürte Eindruck sei falsch. Der Druck zum Machtverzicht auf Assad gelinge Russland aber (noch) nicht. Damaskus in den Händen des IS ist das von Moskau am stärksten gefürchtete Szenario.
Die USA wiederum, mit ihrer desorientierten Nahostpolitik und im Anschluss an den Irakkrieg mitverantwortlich für den Aufstieg des IS, bombardieren seit 2015 mit hohem Aufwand den IS – ohne jeden militärischen Effekt und mit marginalem Ergebnis. Deshalb die Überzeugung in Moskau: Der IS ist nicht aus Syrien zu vertreiben. Daraus erwächst die strategische Option, letztlich einen syrischen „Rumpfstaat“ ohne Assad zu sichern -im Nordwesten von Aleppo, Homs, über Damaskus bis nach Dara an der Grenze zu Israel. Und dies mit hoher russischer Militärpräsenz. Das würde der Westen zähneknirschend akzeptieren. Es käme also zur Dreiteilung Syriens: Rumpfstaat, IS 50%, Kurdenregion. Ende offen