Migration ist Normalität – historisch betrachtet

Volles Haus beim Themenabend „Menschen in Bewegung. Geschichte der Migration im Europa des 19. & 20. Jahrhunderts“
mit Detlef Vonde.

Ein historisch argumentierender Beitrag zur Versachlichung einer überhitzten Debatte.
10 Thesen:

  1. Mobilität ist kein neues Phänomen; es ist so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. Mobilität war Alltag und kein Ausnahmezustand, der heute als Notlage interpretiert wird.
  2. Der moderne Migrations- und Grenzdiskurs ist ein Produkt des späten 19. Jhds.
  3. Die Industrialisierung der Verkehrsmittel (Eisenbahn / Dampfschifffahrt): Migration wird zum Massenphänomen.  
  4. Wanderungsmotive: Wirtschaftliche Not und/oder Verfolgung.
  5. Mobilität war/ist ein globales Phänomen.
  6. Ein exklusiver Fokus auf Europa ist irreführend: Ende 2014 lebten weltweit mehr als  60 Mio. Menschen auf der Flucht. Diejenigen, die in Europa ankommen, sind nur ein winziger Teil der globalen Fluchtbewegungen.
  7. Mobilitätsformen sind keine Naturereignisse („Wellen“, „Ströme“, „Fluten“), sondern haben historisch strukturelle Ursachen.
  8. Migration wurde Ende des 19. Jhds. nationalisiert, d.h. Staatsgrenzen wurden befestigt und aufgerüstet. Abgrenzungspolitik/Einreisekriterien waren selten eine Reaktion auf große Zahlen. Forderungen nach Abschottung waren eingelassen in die rassistische Ordnung der Zeit.
  9. Selten waren Gesellschaften von Einwanderung und Migration einfach „überfordert“. In der Regel wichen Skepsis und Katastrophenszenarien schon bald einer Alltagsnormalität, in der sich Gesellschaften aber auch veränderten.
  10. Mobilität ist Teil der Logik  geopolitischer Interessen, der kapitalistischen Wirtschaftsordnung sowie der (rassistischen) Deutungsmuster in der postkolonialen Welt.