„Bildung für alle“ – Eine Farce?

100 Jahre Volkshochschule. 100 Jahre „Bildung für alle“
Pünktlich zum Jubiläum dies:

Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung von Kursen und Veranstaltungen der allgemeinen Weiterbildung.

(gem. Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“. JStG vom 30.07.2019)


Das Problem

Mit dem o.a. Gesetzesentwurf, der die Umsatzsteuerpflicht künftig für alle Weiterbildungsangebote (außer den explizit „berufsbildenden“) vorsieht (§4 Nr.21a /Streichung §4 Nr.22 UStG), droht insbesondere den Volkshochschulen eine Gefahr, die ihren gemeinwohlorientierten Bildungsauftrag weitgehend konterkariert: Die so gern beschworene „Bildung für alle“ wird künftig teurer, für manche Menschen sogar unerschwinglich. Mit anderen Worten: Die Novelle führt zur weiteren Benachteiligung von einkommensschwachen und sonstigen benachteiligten Gruppen, was im krassen Widerspruch steht zu allen bildungspolitischen Absichtserklärungen der Bundesregierung („lebenslanges Lernen“, „Chancengerechtigkeit“ etc.) der letzten Zeit. Darüber hinaus droht die Diskriminierung von Senior*innen und anderen Menschen, die nicht (oder nur eingeschränkt) im Berufsleben stehen und Bildungsangebote besuchen, etwa pflegende Angehörige, Frauen und Männer in Elternzeit, Erwerbslose (…)

Die Kritik

Einerseits erscheint die Differenzierung zwischen „beruflicher“ und „allgemeiner“ Weiterbildung völlig überholt, da in modernen Bildungskonzepten allgemein- und berufsbildende sowie -vorbereitende Angebote stets eng miteinander verzahnt sind. (Was übrigens die EU-Kommission schon 1995 anerkannt hat.) Andererseits ist der Begriff der ,,reinen Freizeitgestaltung“ ein völlig untaugliches Abgrenzungskriterium, das zum Beispiel die Frage aufwirft, ob Kurse in Sachen „Demokratiekompetenz“, kulturelle Teilhabe oder Gesundheitsbildung nicht mehr sind als bloßes „Freizeitvergnügen“. So droht das absurde Szenario, dass künftig ein VHS-Kurs zur gesunden Ernährung mit 19% besteuert wird, während der Big Mac um die Ecke schon für 7% Umsatzsteuer zu haben ist. Von zentraler Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang also, den Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ zu klären. Der Entwurf verzichtet auf die bisher bewährte Formel „Kurse wissenschaftlicher und belehrender Art“. Wir halten es vielmehr für unverzichtbar, daran künftig festzuhalten; denn das Prinzip der Umsatzsteuerbefreiung von gemeinwohlorientierter, allgemeiner Weiterbildung ist schlichtweg ein Eckpfeiler zur Realisierung von Bildungs- und Chancengerechtigkeit. Vor allem aber: Das Land, seine Gesellschaft und seine Demokratie braucht aktuell deutlich mehr, nicht weniger allgemeine Bildung, die sich wirklich alle leisten können.

Forderungen

  • Die Umsatzsteuerbefreiung muss erhalten bleiben.
  • Die Bedenken der Volkshochschulen müssen zweifelsfrei ausgeräumt werden.