Maschinengewehre made in Barmen

Die wurden ab 1916 von der Firma Vorwerk produziert, wo man die Teppich- auf Kriegsproduktion umgestellt hatte. Prof. Volkmar Wittmütz berichtete im Rahmen des Themenabends „Wuppertal im Ersten Weltkrieg“ taufrisch aus dem Archiv der Firma, die schon ab 1915 Feldbetten für den Fronteinsatz produzierte.    „Nachrichten von der Heimatfront“, so hätte man den Abend ebenfalls titeln können, der in ein Gespräch mit Historiker Dr. Detlef Vonde und dem zahlreichen Publikum mündete. Man lernte Erstaunliches: Etwa, dass die oben erwähnten MG natürlich „eingeschossen“ werden mussten. Das geschah bis zum Kriegsende regelmäßig hinter dem Barmer Rathaus. Laut und gefährlich. Bis Kriegsende wurden von Vorwerk etwa 1600 MG gebaut  für ca. 10.000 RMark pro Stück. Das brachte erheblichen Gewinn, zumal Vorwerk offenbar nach Kriegsende noch den gesamten Auftrag über 3000 Gewehre abrechnen konnte und auch bezahlt bekam. Ja, es gab sie: die Kriegsgewinner. Kriegsproduktion, das hieß im Tal zunächst Munitionsbänder, Zelt- und Wagenplanen, Decken, Schnürriemen. Heeresaufträge gab es verstärkt erst ab 1916 – dann aber kräftig: Waffen, Granaten, Munition, Gasmasken – auch für Pferde. Das bedeutete Unternehmensgewinne und Vollbeschäftigung. 

Und die Verlierer? Die Arbeitslosen, Demoralisierten, Kriegsversehrten und all die Enttäuschten, die spätestens ab dem Hungerwinter (Steckrüben) 1916/17 diesen Krieg hautnah spürten – und ablehnten. Spätestens Anfang 1918 kam es zu Massenstreiks. Was war aus der angeblichen „Kriegseuphorie“ zu Beginn geworden? Kriegsbegeisterung, das  konnten und wollten sich offenbar längst nicht alle leisten. Sicher: Für viele, aber nicht alle Wuppertaler war der 1. August 1914 ein euphorischer Tag. Der General-Anzeiger titelte geradezu ergriffen: „Vom Balkon des (Elberfelder) Rathauses gab Oberbürgermeister Funck die Mobilmachung bekannt. Die dort versammelte Menge brach in brausende Hurra- und Hochrufe aus.“ Aber zogen sie tatsächlich begeistert und voller Heldenmut in den Krieg, großem Leid und frühem Tod entgegen? Diese Vorstellung war über Jahrzehnte hinweg im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert. In letzter Zeit wurde sie aber durch eine Reihe wegweisender Forschungen berichtigt. Die Arbeiterschaft hatte nämlich ganz andere Sorgen. Drohende Produktionsausfälle, drohende Arbeitslosigkeit. Die Massen auf den Straßen waren wohl in erster Linie neugierig, erregt, angespannt – und weniger begeistert. (Wolfgang Kruse) Die Stimmung war ein „Gemisch“ verschiedener, oft auch widerstreitender Gefühle, das von Spannung, Erregung, Stolz, Begeisterung und Zuversicht bis zu Panik und Verzweiflung reichte. So der amerikanische Historiker Jeffrey Verhey. Volkmar Wittmütz bestätigte dies auch für die Tage im Juli/August 1914 in Wuppertal. Die katastrophale Ernährungslage, rationierte Lebensmittel, Wucherpreise, im kalten Steckrübenwinter 1916/17 ließen die Stimmung dann endgültig kippen. Gerüchte über Spionage und angebliche Attentate auf die Talsperren führten zu einer Art Kollektivpanik. Es gab Übergriffe auf Fremde, auf potenzielle „Feinde“. Erste Demonstrationen fanden ab Februar 1917 in Barmen statt. Polizeieinsätze, Militär nach innen – die typischen Reaktionsmuster des Obrigkeitsstaates gerade auch im Krieg. Die Massenstreiks Ende 1918 verbanden sich mit Forderungen nach Frieden, Versorgung, politischer Teilhabe. Gleichwohl: Die Lage in der „Hochburg“ der Arbeiterbewegung war nicht unbedingt revolutionär. „Die Novemberrevolution 1918 wurde von außen ins Tal gebracht.“ Die Impulse kamen vom Matrosenaufstand in Kiel, der anfangs von der SPD verurteilt wurde. „Opferwilligkeit bis zum Letzten“ propagierte die Evangelische Kirche.

Dann geht alles recht schnell: Die Räte übernehmen die Macht im Tal. Und sie „machen ihre Sache gut“. (Wittmütz)Aufrechterhaltung von Ruhe & Ordnung, Versorgung, Organisation von Versammlungen; die Verwaltungen mit OB verbleiben unter Auflagen im Amt. Ab Dezember aber verschärfen sich die Konflikte zwischen den Lagern in den Räten: Parlamentarier vs. Rätedemokraten. Aber das ist der Beginn einer anderen Geschichte…

Am Ende des Themenabends steht ein Seitenblick auf die Deutungsmuster und alten/neuen Kontroversen bei der Frage nach den Ursachen der „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts (Kennan). Wittmütz und Vonde sind sich einig, dass das in Deutschland so bestens verkaufte Buch „Schlafwandler“ des australischen Historikers Christopher Clarke eher ein geschichtspolitisches Interesse nach „kollektiver Entlastung“ bedient als fachwissenschaftlich neue Erkenntnisse liefert. Die alte/neue These vom „Hineinschlittern“ der europäischen Mächte in den Krieg hat vielleicht das Bewusstsein für die machtpolitischen Orientierungen in Serbien, Russland und Frankreich auf breiter Quellengrundlage geschärft. Aber die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung im Gefolge der sogenannten „Fischer-Kontroverse“ sind für die Beurteilung des kriegsorientierten Charakters der deutschen Politik weiterhin gültig.